Die hier vorgelegte Chronik der Schützenzunft zu Neukalen basiert auf eine Dokumentation von Wolfgang Schimmel.

 

 

 

Die Entstehung der Schützenzunft im alten Neukalen

 

Wohl keine andere Organisation in unserer Stadt hat in den letzten Jahrhunderten eine solche Bedeutung erhalten wie die Neukalener Schützenzunft; Brachte sie doch mit ihrem alljährlich stattfindendem Fest, dem Königschuss, einige Abwechslung in das sonst sehr eintönig verlaufende Leben einer mecklenburgischen Kleinstadt.

Ein genaues Gründungsdatum der Neukalener Schützenzunft ist nicht überliefert. Ähnlich den anderen mecklenburgischen Schützenzünften hat sie ihren Ursprung im Mittelalter. Es sind zwei Quellen, denen sie ihre Entstehung verdankt:

Da sind einmal die Gilden, die der Bestattung der Toten dienten und vielfach in Pestzeiten entstanden. Diese standen zu der Kirche in enger Beziehung. Sie haben ihren besonderen Schutzheiligen, zu dessen Ehren Kerzen an seinem Nebenaltar in der Kirche oder in einer besonderen Kapelle brennen und an dessen Kalendertag oder am Sonntag darauf ein Jahresfest gefeiert wird.

Eine andere Quelle waren die alten Waffenübungen der Bürger, wohl von besonderer Bedeutung zur Frühlingszeit, wenn die Zeit der sommerlichen Fehden wieder nahte. Kam es zu Wettkämpfen, so wurde mit Vorliebe nach dem Vogel, dem Papagoyen, geschossen, der damals als halbmythisches Tier galt.

 

Erstmals erfahren wir aus dem Jahre 1514 etwas über eine Schützengilde und eine Gilde des heiligen Leichnams in Neukalen. Damals bereiste der herzogliche Sekretär Johann Monnick in fürstlichem Auftrage die Städte des Landes, um aufzuzeichnen, was an Gilden und Handwerksämtern in den Städten vorhanden war und wie sie feierten.

Es ist ein ausführlicher Bericht geworden, von größter kulturgeschichtlicher Bedeutung.

 

Über die Schützengilde erfahren wir ( in hochdeutscher Übertragung):

Das Gildefest wird auf Johannis vor portam latinam 1 Tag gehalten. Darin sind 16 Personen. Für den Eintritt geben 2 Leute 4 Scheffel Gerste. Auch sind darin 3 oder 4 von einem Dorf, die eine mit Haben. Dazu 2 Tonnen Bier.

 

Zur heiligen Leichnams – Gilde heißt es ( ebenfalls in hochdeutscher Übertragung):

In dieser Gilde sind ungefähr 40 Personen, darunter viele Bauersleute. Das Gildefest wird 2 Tage gehalten, am Tag des Leichnams Christi und am Sonntag danach. Für den Eintritt geben 2 Leute 8 Scheffel Gerste und 1 Pfund Wachs. In dieser genannten Gilde gibt man nichts zu essen. Zum genannten Gildefest gibt es jedesmal 3 oder 4 Tonnen Bier.

 

Weitere Nachrichten aus dieser Zeit sind leider nicht überliefert. Wahrscheinlich sind diese Gilden in den Wirren des 30jährigen Krieges eingegangen und erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts neu entstanden.

Carl Voß führt dazu aus:

„Es haben sich jetzt mehrere Männer zusammengeschlossen zur Beerdigung ihrer an der Pest gestorbenen Einwohner der Stadt Nienkalden sowie zur Unterstützung der nachbleibenden Angehörigen derselben. Es war damals  unruhige Zeiten. Entlassene Kriegssöldner streiften in kleinen und auch größeren Trupps im Lande plündernd und mordend umher und nahmen den armen Einwohnern oft noch das Letzte. Zur Abwehr dieser Schädlinge hatten sich um 1660 herum cirka  40 Männer zu einer Schützenzunft zusammengetan, deren Wahlspruch lautete:

„Hilf dir selbst, so hilft dir Gott!“

 

Als es 1666 und 1676 zu großen Brandkatastrophen in Neukalen kam, löste sich die Schützenzunft auf. Der Wiederaufbau der Häuser erforderte viel Kraft und ließ keine Zeit für Vergnügen. Erst um 1689 konnte man wieder an ein geregeltes Zunftleben denken. Einige Bürger beschlossen, die alte Vereinigung erneut aufleben zu lassen. Der Aufenthalt des Herzogs Gustav Adolf in Dargun bot die beste Gelegenheit, um eine Bestätigung der Schützenzunft und besonders die Zusicherung zur Befreiung des Schützenkönigs von den Abgaben und den Steuern zu erhalten.

Die entsprechende Urkunde lautet:

„Des Durchleuchtigsten Fürsten und Herren

Herrn Gustaff Adolph, Herzogen zu  Mecklenburg, Fürsten zu Weden, Schwerin und Ratzeburg, auch Graffen zu Schwerin der Lande Rostog und Stargard Herr, Hochfürstl. Durchl. haben auf Unterthenigstes anhalten der Schützen Gilde zu Neuenkalden gnedigst Concediret, daß besagte nicht allein in übung nach dem Scheibe Schießen ( welche einige Jahr wegen Zerstreuung der Bürgerschafft unterlassen worden ) Von Neuem wieder anfangen mögen, Sondern daß auch der Jenige, welcher in der gewöhnlichen übung den besten Schuß thun wird, in demselben Jahre den oneribus und Contribution befreyet sein solle. Uhrkundlich unter Ihrer Hochf. Durchl. Unterschrift und bei gedrücktem pitschafft.

    Datum Dargun den 26. May 1689                                    Gustaff Adolph.“

 

Es begann jetzt ein reges Zunftleben. Mitglied der Zunft konnte jeder ehrliebende Bürger werden, der einen eigenen Herd hatte und seine wirtschaftliche Selbständigkeit und eheliche Geburt nachweisen konnte. Ein Eintrittsgeld mußte gezahlt werden. Somit hatte das neue Mitglied auch Anteil am Eigentum und an den Privilegien der Zunft. Als wirtschaftliches Rückgrat erwarb die Zunft Ackerland, welches verpachtet wurde.

 

Die Schützenfeste waren Höhepunkte im Zunftleben. Der Schützenkönig war für ein Jahr von sämtlichen Abgaben befreit. Er erhielt einen Geldbetrag, den er mehr oder weniger zur Beköstigung seiner Schützenbrüder verwandte, und außerdem die freie Nutzung der sogenannten Königswiese ( am Schlakendorfer Weg gelegen) für ein Jahr. Zur Erinnerung an seine Königswürde stiftete er einen silbernen Orden, der an einer Schärpe getragen wurde. Der älteste Orden stammt aus dem Jahre 1694. Ihn ließ damals Hans Steinck, von Beruf wahrscheinlich Bäcker, anfertigen.

 

Ebenfalls aus dieser Zeit stammt ein Trinkpokal, der wohl so manches Mal „ Mit Gunst! “ geleert worden ist. Die Inschrift auf diesem „Willkomm“ beinhaltet, daß „anno 1694“, die löbliche Schützengilde zu Neuenkalden diesen „Willkomm“ hat machen lassen, und daß zu dieser Zeit „Gildemeister “ gewesen sind: H. B. Israell Bäteke und H. Joachim Marttens und „ Schaffer “ Baltzer Lemke und Martten Ruttenbarg. Leider ging dieser Pokal im Jahre 1945 verloren.

Bürgermeister Dr. Lorenz schrieb 1926:

„Der Pokal selbst, von kunsthistorischem Wert, ist 36 cm hoch, im Durchmesser 12 cm; auf dem Deckel steht eine Figur, Standartenträger, mit 2 von Patronen der Zunft gestifteten silbernen Fähnlein, auf denen das Stadtwappen und Widmung. Um den Pokal herum liegt eine vom derzeitigen Patron geschenkte silberne Kette von 50 cm Länge. Alljährlich an den beiden Königsschußtagen kreist alter Üblichkeit entsprechend der Humpen an der Festtafel „Mit Gunst“ unter den Schützenbrüdern, und, nachdem der letzte ihm „mit Gunst“ geleert, hat der jeweils vorletzte das Vergnügen, ihn mit frischem edlen Rebensaft zu füllen!“



1689 bis 1750